Ich habe gestern ein Familienmitglied (X) besucht, das sich im letzten Jahr sehr geändert hat und den engen Kontakt mit der Familie ziemlich abgebrochen hat.

X vertraut mir viel an und das was mir über das Jahr über den neuen Freund erzählt wurde macht mir Sorgen. Ich vermute, dass er sie emotional manipuliert und finanziell ausnutzt, und denke, dass sich das irgendwann auch in physischer Gewalt entwickeln wird. Ich habe diesen Freund gestern kennengelernt und er war zwar sehr nett, aber etwas etwas an ihm macht mir Gänsehaut.

Nun hat jemand aus der Familie das im Herbst bei x angesprochen, eben das der Freund eine laufende Rote Flagge ist, mit dem Ergebnis das der Freund mit Polizei gedroht hat, das wurde X unterstützt. Seit dem ist der Kontakt abgebrochen. Auch bei den Eltern wird der Kontakt immer weniger, andere frühere Freunde werden geghostet.

Ich weiß nicht was ich machen soll. Meine Angst ist, dass wenn ich meine Bedenken äußere X den Kontakt auch zu mir abbrechen wird. Durch eine schwierige familiendynamik kann ich auch vieles das mir Sorgen macht nicht bei den Eltern ansprechen. Andererseits möchte ich zeigen, dass ich für X da bin, und ich habe Angst, dass wenn ich nichts sage sie vielleicht das Gefühl hat, das es niemanden interessiert.

Habt ihr Tipps für Beratungsstellen oder wie ich mich verhalten könnte?

  • juergen@feddit.de
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    1 year ago

    Ich möchte dir viel Glück wünschen, aber auch sagen dass man sowas manchmal nicht verhindern kann. Dann kann du allerdings trotzdem helfen in dem du in diesem Moment wenn es bereits zu spät ist und irgendwas passiert ist, für mensch da bist.

    Ich würd sagen wenn Profis etwas anderes sagen als ich, dann vertrau den Profis - mein Gefühl sagt mir nur dass der Fokus auf ihren Bedürfnissen und ihrem Wohlergehen legen sollte. Das ist ihre Wahrheit selbst wenn es auch andere Wahrheiten (die roten flaggen) gibt. --> D.h. viel fragen wie es mensch geht. Sachen machen auf die mensch lust hat.

    Und konkreter: ich kann empfehlen, Literatur zum Thema zu lesen um die Strukturellen Zusammenhänge zu verstehen. Damit meine ich auch z.B. zu gucken dass ihre Unabhängigkeit funktioniert (eigenes finanzielles Einkommen; Betroffene von sexualisierter Gewalt ziehen häufig zu den Tätern zurück aus finanziellen Zwängen) und eben Awareness-Arbeit.

    Bei sexualisierter Gewalt spielt auch das Umfeld der Täterperson eine große Rolle. Mein Gefühl ist dass gerade Leute die dem Täter nahe stehen gar nicht so viel über das problematische Verhalten wissen (oder nur die Täter-Version). D.h. mein Gefühl ist dass die Awareness-Arbeit in diesem Bereich irgendwie auch strategisch ist: Auf Facebook anfreunden und gucken Was Täter-Person und dessen Umfeld so macht, und bisschen im Blick haben wie da die Entwicklung so ist.

    Also weil bei sexualisierter Gewalt gibt es ja auch irgendwie ein Vakuum bzgl der Deutungshoheit des Geschehenen. Die Täter-Person wird diese Deutungshoheit an sich reißen. Wenn du verstehst wie Person tickt (gerade wenn du von manipulation ausgehst) kannst du das einfacher widerlegen und da intervenieren.

    Sexualisierte Gewalt und häuslicher Missbrauch etc kommt so häufig vor, dass es viel Lesematerial dazu gibt. Von Überlebenden, die ihre Erlebnisse literarisch verarbeitet haben, über Berichte von Community-Acountability Gruppen bis hin zu Büchern wo das Verhalten von Tätern beschrieben ist. All das ist hilfreich in so einer Situation.

    Was du machst ist sehr sehr wichtig und ich möchte dir von Herzen für deine Arbeit danken! Hab das Gefühl das ist ein langfristiger Kampf.

    (Dies ist der erste von vermutlich mehreren posts)

    • crispy_kilt@feddit.de
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      1 year ago

      für mensch da bist

      Ist das inklusive Sprache? Wenn ja, warum ist hier

      Leute die dem Täter nahe stehen

      das generische Maskulinum in Verwendung?

      • juergen@feddit.de
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        1 year ago

        “Mensch” sag ich deshalb weil ich das gender von der betroffenen Person nicht kenne und mir aufgefallen war dass OP auch relativ neutral schreibt. Ergo die Anpassung.

        “Täter” ist irgendwie sprachlich eine Mischung aus vielen Sachen: OP nutzt männliche Pronomen für den Freund. Das Wort Täter bezieht sich aber nicht so vollständig auf den Freund (weil er ja noch nicht richtig gewalttätig geworden ist. Aber anderseits auch schon, weil Missbrauch auch schon Gewalt ist und weil Missbrauch/Gewalt in Familienverhältnissen bzw Beziehungen sehr häufig vorkommt ging ich davon aus dass OP’s Eindruck gerechtfertigt ist und es in der Tat Missbrauch ist.

        Zudem: Nach dem Lesen einiger Literatur dazu sehe ich dass es häufig vorkommt dass Leute (einschließlich der Betroffenen Person) die Tat des Täters irgendwie klein reden (“war doch nicht so gemeint”), daran zweifeln (“Bestimmt ist es die Schuld der Betroffenen, die hatte nen kurzen Rock getragen”), etc. Also es wird häufig sehr sehr spät von Täterschaft gesprochen. Daher wollte ich deutliche Worte finden, auch um OP in ihren Gefühlen zu bestärken.

        Und abschließend, weil - wenn man die Litaratur dazu ließt - geht hervor, dass die meisten Täter*innen männlich sind.

        (UND noch ein wichtiger Punkt: Mein Gefühl ist, dass es sehr unterschiedliche Verhaltensweisen sind, je nachdem ob Täter-Person männlich oder weiblich (oder ein anderes Gender) ist. Und ich bezog mich hier auf männliche Täter.

        • crispy_kilt@feddit.de
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          1 year ago

          weil ich das gender von der betroffenen Person nicht kenne

          OP benutzt das weibliche Personalpronomen.

          Mich stört es sehr, wenn in positiven Kontexten inklusiv gesprochen wird, in negativen aber männlich. Das ist mindestens scheinheilig, in vielen Fällen diskriminierend. Es ist genau dasselbe, wie wenn in der Berichterstattung über Straftaten die Herkunft der Straffälligen übertrieben hervorgehoben wird. Das führt nur zu zusätzlichem Rassismus. Dass Männer häufiger Gewaltverbrecher sind als Frauen hat komplexe gesellschaftliche Ursachen, und ist nicht die Schuld der Männer - genauso wie die relativ gesehen höhere Straffälligkeit von Zugewanderten nichts mit dem ausstellenden Land ihres Reisepasses zu tun hat sondern ebenfalls soziale Gründe hat.

          • juergen@feddit.de
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            1 year ago

            OP benutzt das weibliche Personalpronomen.

            ah, danke! das hab ich nicht gesehen.

            Dass Männer häufiger Gewaltverbrecher sind als Frauen hat komplexe gesellschaftliche Ursachen, und ist nicht die Schuld der Männer

            Ich würde zustimmen dass es komplexe gesellschaftliche Ursachen hat (nämlich das Patriarchat u.a.) - und “Schuld” trifft es nicht ganz, aber ich würd schon sagen dass Männer eine größere Verantwortung tragen. Also ich mein diejenigen die Gewalt ausüben (oder Dominanz oder catcalling etc) können auch entscheiden dass sie nicht gewalttätig sein wollen und was dagegen machen.

            Also ich mein, versteh mich nicht falsch - ich bin selbst männlich und stark patriarchal sozialisiert, d.h. ich weiß wie schwer das ist dies wieder los zu werden. Aber dennoch bin ich männlich priviligiert, verdiene mehr als weibliche kolleginnen, etc - also hab ich auch (bisschen) mehr Möglichkeiten das Patriarchat zu bekämpfen.